Wir und das Gleichnis vom untreuen Verwalter

In diesem Gleichnis gibt es einen Vers, der aus meiner Sicht häufig völlig falsch interpretiert wird. Da heißt es: Und der Herr lobte den ungerechten Haushalter, dass er klug gehandelt habe.

Ich habe zu dem Gleichnis schon so manche Auslegung gehört, wo sich mir sämtliche Nackenhaare sträubten. Manchmal geht es dann in die Richtung: Der Zweck heiligt die Mittel, also sei ruhig ungerecht, die Welt hat eh nichts anderes verdient, solange Du dann einen Teil des Gewinns ins Reich Gottes gibst. Und spätestens da ist für mich eine Linie überschritten!

Wir gehen das Gleichnis aus Lukas 16,1-13 im Folgenden einmal Vers für Vers durch:

Vers 1: Jesus sagte aber auch zu seinen Jüngern: Es war ein reicher [plousios] Mann, der hatte einen Haushalter [oikonomos]; und dieser wurde bei ihm verklagt [dia-ballo], dass er seine Güter verschleudere [dia-skorpizo].

Hier am Anfang stellt Jesus erstmal die Ausgangslage und die handelnden Personen vor:

1. der reiche Mann:

[plousios]

reich; die Grundbedeutung des Adjektivs, das den Auftraggeber des Verwalters beschreibt, kann in zweierlei Hinsicht gesehen werden:

  • A) reich an Tugenden, also positiv, z.B. in Jak. 2,5: Hört, meine geliebten Brüder: Hat nicht Gott die Armen dieser Welt erwählt, dass sie reich im Glauben würden und Erben des Reiches, das er denen verheißen hat, die ihn lieben?
  • B) Vermögend vom materiellen Überfluss, wobei diese Variante im NT überwiegend negativ besetzt ist bzw. in einem warnenden Kontext steht:
    • Mat. 19,23 (nach der Begegnung mit dem reichen Jüngling): Wahrlich, ich sage euch: Ein Reicher hat es schwer, in das Reich der Himmel hineinzukommen!
    • Lk. 12,16-21 (Gleichnis vom reichen Kornbauern): Das Feld eines reichen Mannes hatte viel Frucht getragen…
    • 1. Tim. 6,9: Denn die reich werden wollen, die fallen in Versuchung und Verstrickung und in viele törichte und schädliche Begierden, welche die Menschen versinken lassen in Verderben und Verdammnis.

Aus dem Kontext wird klar, dass es sich bei dem reichen Mann um eine Person handelt, die reich im Sinne der Welt in der zweiten Variante ist.

Für wen steht nun dieser Reiche Mann im Gleichnis? Bei anderen Gleichnissen zum Thema Haushalterschaft (z.B. beim Gleichnis von den anvertrauten Talenten), da steht der reiche Mann ja oft für Gott oder Jesus selbst, ist das hier auch so? Das ist DIE elementare Frage, um das Gleichnis richtig zu verstehen! Ich bin überzeugt: hier steht der Herr des Verwalters nicht für Gott oder Jesus, sondern für eine Person aus dem Reich Mammons, die nach den Regeln Mammons spielt, vielleicht sogar für Mammon selbst. Diese andere Perspektive ist extrem wichtig, um das Gleichnis richtig zu verstehen.

2. der Verwalter

[oikonomos]

Verwalter, Ökonom, oder neudeutsch Manager, der als Vertreter seines Herrn mit allen Vollmachten ausgestattet ist, Geschäfte in dessen Namen durchzuführen

1. Kor. 4,2: Im Übrigen wird von einem Haushalter nur verlangt, dass er für treu befunden wird.

Und dieser Haushalter, der eigentlich treu sein sollte, wird nun bei seinem Arbeitgeber angeklagt, dass er alles andere als treu handeln würde:

[dia-ballo]

verleumden; anschwärzen; anklagen; etwas ausplaudern, das der Wahrheit entspricht, aber mit dem Motiv, dem anderen zu schaden (es ist vor dem Hintergrund dieser Grundbedeutung also durchaus realistisch, dass die Vorwürfe begründet waren)

[dia-skorpizo]

verschwenden; verschleudern; vergeuden; das gleiche Verb benutzt Jesus spannender Weise im vorhergehenden Gleichnis in Lk. 15,13 vom verlorenen Sohn: Und nicht lange danach packte der jüngere Sohn alles zusammen und reiste in ein fernes Land, und dort verschleuderte er sein Vermögen mit ausschweifendem Leben.

Vers 2: Und er (der Herr) rief ihn (den Verwalter) zu sich und sprach zu ihm: Was höre ich da von dir? Lege Rechenschaft ab von deiner Verwaltung; denn du kannst künftig nicht mehr Haushalter sein!

Das Verhalten des Herrn zeigt ein Stück weit seinen weltlichen Charakter: Unabhängig vom Ergebnis der Rechenschaft kündigt er dem Verwalter seine Kündigung an. Dabei steht seine Entscheidung unumkehrbar fest: getroffen auf Basis von Aussagen Dritter, also ohne den Beschuldigten überhaupt gehört zu haben. So handelt Jesus nicht und auch wir sollen so nicht handeln!

Vers 3: Da sprach der Haushalter bei sich selbst: Was soll ich tun, da mein Herr mir die Verwaltung nimmt? Graben kann ich nicht; zu betteln schäme ich mich.

Nun wird es spannend: Der Verwalter erkennt seine Lage und sieht der Realität ins Auge. Er kennt seine eigenen Begabungen und Fähigkeiten und weiß auch, was nicht zu seinen Stärken zählt (nämlich körperliche Arbeit oder das Betteln).

Vers 4: Ich weiß, was ich tun will, damit sie mich, wenn ich von der Verwaltung entfernt bin, in ihre Häuser aufnehmen [dechomai]!

Der Verwalter entwirft einen weltlich klugen Plan, der ihm trotz seiner Lage eine zukünftige Versorgung sichern soll.

[dechomai]

empfangen; aufnehmen; wie in Mat. 18,5: Wer ein solches Kind in meinem Namen aufnimmt, der nimmt mich auf.

Vers 5-7: Und er rief jeden von den Schuldnern seines Herrn zu sich und sprach zu dem ersten: Wie viel bist du meinem Herrn schuldig? Der aber sprach: 100 Bat Öl. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, setze dich und schreibe schnell 50! Danach sprach er zu einem anderen: Du aber, wie viel bist du schuldig? Der aber sagte: 100 Kor Weizen. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein und schreibe 80!

Jetzt wird’s kriminell: Der Verwalter versucht alles, um sich bei den Geschäftspartnern seines Herrn in ein gutes Licht zu stellen bzw. beliebt zu machen! Er geht her und lässt die Rechnungen bzw. Schuldscheine fälschen, indem der geschuldete Betrag um 20-50% nach unten korrigiert wird. Als oikonomos, also als Verwalter handelt er durchaus legal im Rahmen seines bestehenden Mandats. Er hat die Vollmacht und das Recht, Rechnungen schreiben und auch korrigieren zu dürfen. Aber zumindest moralisch bleibt sein Verhalten sehr fragwürdig. Jesus selbst fordert uns als seine Haushalter schließlich auf, treu im Sinne des Herrn zu handeln. Wenn wir die Bibel im Zusammenhang lesen und nicht einzelne Verse aus dem Kontext reißen, dürfen wir hier also keinen Aufruf Jesu zum Betrug ableiten!

Vers 8a: Und der Herr [kyrios] lobte den ungerechten [adikia] Haushalter, dass er klug gehandelt habe.

Nun kommt der große Knackpunkt in dem Gleichnis: Die Bibel selbst nennt den Haushalter ungerecht, adikia. Adikia ist quasi eine Eigenschaft Mammons, so sagt es Jesus gleich selbst in Vers 9. Trotzdem lobt der Herr diesen Verwalter. Doch die alles entscheidende Frage ist nun: Wer ist hier mit „Herr“ gemeint? Der Auftraggeber aus dem Gleichnis, oder wechselt Jesus die Perspektive und sagt, dass Gott den ungerechten Haushalter lobt?

Der Begriff, der hier für Herr steht: kyrios, könnte so verstanden werden, dass Jesus als Herr gemeint ist. Allerdings verwendet Jesus in anderen Gleichnissen auch den Begriff kyrios für den Eigentümer bzw. Chef als Akteur in Gleichnissen (z.B. Mat. 20,8 im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg oder Lk. 12,46 im Gleichnis vom treuen und untreuen Knecht). Kyrios ist also nicht zwangsläufig ein Titel für Gott oder auch für Jesus. Daher muss ich an dieser Stelle leider vielen Auslegern widersprechen. Ich denke nicht, dass Jesus hier ein Lob seines Vaters an den ungerechten Verwalter ausspricht. Nochmal: Die Bibel fordert Verwalter in 1. Kor. 4,2 dazu auf, treu zu sein, und nicht ungerecht. Daher denke ich, der reiche Mann selbst lobt den untreuen Verwalter für seinen klugen Betrug.

An der Stelle habe ich auch lange geknabbert und Gott um Klarheit gebeten. Dieser reiche Mann, er ist selbst im Reich Mammons verwurzelt. Dort ist es normal und an der Tagesordnung, den eigenen Vorteil mit allen Mitteln und ohne Rücksicht auf Verluste oder Schäden für andere durchzusetzen. Ein solches Verhalten ist dem reichen Mann also offensichtlich nicht fremd. Es scheint sogar eher zu seinem Handlungsrepertoire zu gehören. Und trotzdem habe ich mich gefragt: Warum lobt der Reiche den Verwalter, obwohl der ihn gerade zum zweiten Mal betrogen hat? Und dann hatte ich dieses Bild hier vor Augen: Er lobt ihn, weil der Verwalter so gehandelt hat, wie der Reiche Mann es selbst in dieser Situation nicht besser hätte machen können. Scheinbar hatte er dem Verwalter so viel kriminelle Raffinesse gar nicht zugetraut. Daher ist er nun positiv überrascht und angetan, obwohl er geschädigt wurde. Vielleicht offenbart dieses Paradox so eine Art Ganovenehre: obwohl der Reiche Mann betrogen wurde, würdigt er das aus seiner Sicht „vorbildliche“ Verhalten des gefeuerten Verwalters.

Vers 8b: Denn die Kinder dieser Weltzeit sind ihrem Geschlecht gegenüber klüger als die Kinder des Lichts.

An der Stelle ist das Gleichnis nun wirklich beendet und es wechselt die Perspektive: weg vom reichen Mann, hin zu Jesus, der ab diesem Punkt beginnt, sein Gleichnis zu interpretieren und zu erklären. Zunächst unterstreicht Jesus nochmal, dass der reiche Mann und der Verwalter „Kinder der Weltzeit“ sind. Und vor dem Hintergrund von Vers 13, auf den wir noch zu sprechen kommen, können wir annehmen, dass sie sogar „Kinder Mammons“ sind. Sie gehören also nicht zum Reich Gottes, sind also keine oder noch keine „Kindes des Lichts“ (vgl. Eph. 5,8:  Denn ihr wart einst Finsternis, jetzt aber seid ihr Licht in dem Herrn. Wandelt als Kinder des Lichts!).

Vers 9: Auch ich sage euch: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit, wenn ihr Mangel habt, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten!

Jesus lobt den Verwalter nicht für seinen Betrug (das machte der reiche Mann). Jesus lobt den Mann aber für seine Klugheit und Weitsicht, dass er „adikia mammonas“, also den ungerechten Mammon, in Beziehungen zu Menschen investierte. Denn Geld und Besitz vergehen, Menschen und Beziehungen bleiben.

Hier wird ein großer Unterschied zum Gleichnis vom verlorenen Sohn deutlich, dass Jesus direkt zuvor erzählt. Auch der verlorene Sohn verschleuderte den Besitz [dia-skorpizo]. Doch er machte sich keine Freunde mit dem ungerechten Mammon. Anders als der verlorene Sohn dachte der Verwalter an seine eigene Zukunft und nutzte den ihm anvertrauten Besitz entsprechend. Genauso sollen auch wir im Umgang mit Geld und Besitz Weitsicht zeigen: nicht kurzfristig auf eine Lebensspanne gedacht, auf ein wenig Gewinn spekulieren, sondern langfristig mit Perspektive Ewigkeit, um damit Schätze im Himmel zu erwerben. Davon spricht Jesus an verschiedenen Stellen: dass wir unser Geld und unseren Besitz dazu verwenden sollen, Schätze im Himmel zu erwerben, wo sich kein Dieb naht und den keine Motten fressen (z.B. Mt. 19,21; Mk. 10,21; Lk. 12,33; Lk. 18,22).

Aus meiner Sicht geht es darum: Als Christen sollen wir Geld und Besitz nicht als weltlichen Ballast abtun, der nicht geistlich genug ist und daher uninteressant. Nein, auch Christen sollen sich intelligent mit Geld und Besitz auseinandersetzen und beides klug einsetzen. Aber nicht klug im Sinne von Betrug, sondern klug, um Schätze im Himmel zu sammeln, indem wir Finanzen ins Reich Gottes investieren, um Menschen für Gottes Reich zu gewinnen und um sie damit als ewige Freunde in den himmlischen Hütten zu haben.

Aber für mich greift Jesu Zusage nicht nur für die Perspektive Ewigkeit, denn im Himmel werden wir ohnehin keinen Mangel haben. Jesus sagte in Vers 9: „wenn ihr Mangel habt“! Daraus schließe ich: Wenn wir unsere Finanzen einsetzen, um Schätze im Himmel zu sammeln, wird uns das auch in Zeiten der Not und des Mangels auf Erden zu Gute kommen. So beschreibt Paulus es auch in Phil. 4,9: Mein Gott aber wird all eurem Mangel abhelfen nach seinem Reichtum in Herrlichkeit in Christus Jesus.

Vers 10: Wer im Geringsten treu ist, der ist auch im Großen treu; und wer im Geringsten ungerecht ist, der ist auch im Großen ungerecht.

Ich schätze, Jesus muss geahnt haben, wie missverständlich und falsch sein Gleichnis ausgelegt und interpretiert werden wird. Vielleicht haben die Zuhörer Jesus damals auch genauso verwundert angeschaut, wie wir beim ersten Lesen des Textes reagieren. Und daher betont er 3x hintereinander, wie wir das Gleichnis eben NICHT verstehen sollen: Wir sollen als seine Verwalter nicht ungerecht sein, sondern TREU: im Kleinen wie im Großen!!

Vers 11: Wenn ihr nun mit dem ungerechten Mammon nicht treu wart, wer wird euch das Wahre [alethinos] anvertrauen?

Das zweite Mal betont Jesus, worauf es ihm ankommt: nicht das ungerechte (adikia) Verhalten des Verwalters, sondern Treue im Umgang mit den uns anvertrauten Dingen (inkl. denen, die Mammon für sich beanspruchen möchte).

[alethinos]

Eine wahre Realität im Gegensatz zu dem, was nur fiktiv, imaginär oder vorgetäuscht ist.

Der Verführung Mammons, die uns eine Versorgung vortäuschen möchte, die nicht real, sondern fiktiv ist, können wir nur entkommen, wenn wir treue Verwalter nach 1. Kor. 4,2 werden. Dann wird uns Jesus die Augen öffnen für die wahren Schätze [alethinos], die Gott für uns bereithält – sowohl materiell als auch geistlich.

Vers 12: Und wenn ihr mit dem Gut eines anderen nicht treu wart, wer wird euch das Eure geben?

Noch ein drittes und letztes Mal ermahnt uns Jesus, nicht ungerecht mit den Gütern umzugehen, die uns nicht gehören, sondern treue Verwalter zu sein. Auf der Erde haben wir letztendlich nichts, das wirklich uns gehört – alles ist uns von Jesus überlassen, damit wir es in seinem Sinn verwalten und investieren. Nur wenn wir in diesem Punkt als Verwalter treu sind (anders als der Verwalter im Gleichnis), werden wir wahrhaftiges Eigentum erhalten, nämlich ewige Schätze im Himmel.

Vers 13: Kein Knecht kann zwei Herren dienen; denn entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird dem einen anhängen und den anderen verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon!

Am Ende des Abschnittes zeigt Jesus nochmals deutlich auf, dass zwei verschiedene Reiche um unsere Anbetung und Verehrung kämpfen: Mammons Reich (zu dem der reiche Mann und sein Verwalter gehören) und Gottes Reich. Wir können nicht Mammon dienen, damit Reichtum und Konsum als obersten Lebenssinn ausgeben, und gleichzeitig zu Gottes Reich gehören wollen.

Und so sollen wir auch nicht betrügen oder tricksen (selbst, wenn es vielleicht noch im legalen Rahmen ist), nur um einen eigenen Vorteil zu erhaschen (wie der Verwalter). Ein solches Verhalten nennt die Bibel adikia – ungerecht. Wir sollen vielmehr klug, weise und intelligent überlegen, wie wir Finanzen aus dem ungerechten System Mammons in Menschen für das Reich Gottes investieren können (so wie der Verwalter es auch tat).

Dabei gilt selbstverständlich das Prinzip, niemanden zu betrügen oder zu schädigen, denn der Zweck heiligt eben nicht die Mittel. In 1. Kor 10,31 heißt es: „Ob ihr nun esst oder trinkt oder was ihr auch tut, das tut alles zu Gottes Ehre.“ Ein Betrug zur Ehre Gottes? Das kann ich mir nun wirklich nicht vorstellen!