Hast Du Dich auch schon einmal beim Träumen erwischt, finanziell frei und unabhängig zu sein? Nicht arbeiten zu müssen, und trotzdem genug Geld zum Leben zu haben? Im Business-Deutsch der selbsternannten Finanzexperten wird in diesem Zusammenhang gerne von einem „passiven Einkommen“ gesprochen.
Die Mär vom passiven Einkommen
Um dieses passive Einkommen zu verdienen und zu erhalten ist nur wenig oder besser gar kein Aufwand erforderlich. Es steht damit im klaren Gegensatz zum aktiven Einkommen, das in diesem Kontext gern als „Hamsterrad“ bezeichnet wird: Hörst Du auf zu arbeiten (der Hamster auf zu treten), stoppt Dein Einkommensstrom und mit ihm das Rad des Lebens.
So wird fleißig dafür geworben, aus dem Hamsterrad der 40-Stunden-Woche plus X auszusteigen, das bis zur Rente gedreht werden muss – je früher desto besser. Wie das gehen soll? Ganz einfach: Du lässt entweder (A) Menschen oder als (B) Kapitel für Dich arbeiten, anstatt selbst arbeiten zu müssen:
A) Unternehmer mit Mitarbeitern
A) Multi-Level-Marketing
A) Online-Vertrieb
B) Unternehmensbeteiligungen (Aktien, Fonds, ETFs,…)
B) Mieteinnahmen aus finanzierten Immobilien
B) Verleih von Geld gegen Zinsen (z.B. auf Crowdfunding-Plattformen)
Entkomme dem Hamsterrad
Egal, für welche der genannten Wege man sich entscheidet: Durch die perfekte Finanzierung ergibt sich ein enormer Hebel, um auch mit wenig Startkapital die Rendite des eingesetzten Geldes in ungeahnte Höhen schießen zu lassen.
Sobald Deine passiven Einnahmen schließlich Deine monatlichen Ausgaben übersteigen, hast Du es geschafft: Du bist dem Hamsterrad entkommen – herzlichen Glückwunsch. Das klingt logisch und vielleicht sogar erstrebenswert, oder? Um dem ganzen einen frommen Anstrich zu verpassen, könnten wir auch argumentieren, dann viel mehr Zeit für die Arbeit im Reich Gottes zu haben oder mehr Spenden zu können.
Doch was würde Jesus dazu sagen? Ich denke, Jesus würde wie so häufig in seiner Zeit auf der Erde eine Geschichte erzählen, um seine Ansicht zu verdeutlichen. Vielleicht wäre es ein Gleichnis, ähnlich wie dieses:
Vom Fischer und dem Unternehmensberater
Ein Unternehmensberater schlendert durch ein kleines Fischerdorf und entdeckt einen Mann, der neben einem Fischerboot am Strand sitzt und aufs Meer blickt. Der Berater geht auf ihn zu und fragt: „Entschuldigung, ist das ihr Boot?“ „Ja, erwidert der Mann“, ohne seinen Blick vom Horizont zu nehmen. „Dann sind sie also Fischer“, kombiniert der Berater messerscharf. „Warum sind sie nicht auf dem Meer, und fischen?“
Der Fischer dreht sich zur Seite und blickt zum Berater: „Ich war heute schon fischen, ein paar Stunden. Dann hatte ich genug gefangen, um meine Familie heute und die nächsten Tage zu versorgen.“ Wieder schaut er aufs Meer.
Irritiert fragt der Unternehmensberater: „Aber was tun sie mit dem Rest des Tages?“ Der Fischer lächelt: „Nach dem Fischen spiele ich mit meinen Kindern, mache mit meiner Frau nach dem Mittag eine Siesta, blicke aufs Mehr oder gehe im Dorf spazieren, treffe mich mit meinen Freunden und wir erzählen und trinken ein Gläschen Wein. Ich bin glücklich.“
Der Berater schüttelt den Kopf: „Nein, sie vergeuden Ihr Potenziel! Ich habe zwei Studiengänge mit Auszeichnung abgeschlossen und verdiene eine Menge Geld, indem ich Leute wie sie berate. Sie sind mir sympathisch: da helfe ich ihnen gerne kostenlos…“
Wieder blickt der Fischer auf und der Berater erklärt: „Sie sollten mehr Zeit damit verbringen Fischen zu fangen. Von dem Erlös kaufen sie sich ein größeres Boot. Dann ein zweites Boot, dafür stellen sie Mitarbeiter ein. Das machen Sie so lange, bis sie eine ganze Bootsflotte haben.
Statt den Fang wie bisher an einen Händler zu verkaufen, sollten sie direkt an eine Fischfabrik verkaufen, oder noch besser: sie bauen und eröffnen ihre eigene Fischverarbeitungsfabrik. Dann können sie Produktion, Verarbeitung und Vertrieb selbst kontrollieren! Sie könnten dieses kleine Fischerdorf verlassen und in eine Metropole dieser Welt ziehen, um von dort ihr Imperium zu leiten.“
Der Fischer hatte schweigend zugehört, nun fragt er: „Wie lange wird das dauern?“ „Hm“, der Berater überlegt. „Ich schätze, 15 bis 20 Jahre“. Der Fischer runzelt die Stirn: „Und was wird dann sein?“
Der Berater führt seinen Vortrag begeistert fort: „Dann kommt das Beste, mein Freund! Sie gehen mit ihrem Unternehmen an die Börse. Dann verkaufen sie alle ihre Unternehmensanteile und werden reich. Sehr reich, mein Freund! Sie werden Millionen verdienen!“
Der Fischer überlegt einen Moment: „So einfach ist das mit dem Reichwerden? Millionen, sagen sie? Ok, aber was wird dann sein?“
Der Unternehmensberater beugt sich zum Fischer in den Sand: „Dann könnten Sie endlich aufhören zu arbeiten und aus dem Hamsterrad aussteigen! Sie könnten mit ihrer Familie in ein kleines Fischerdorf ziehen und einfach nur Fische fangen. Sie könnten mit ihren Kindern und Enkeln spielen und mit ihrer Frau eine Siesta machen. Sie könnten am Strand sitzen und einfach aufs Meer blicken oder im Dorf spazieren gehen und sich mit ihren Freunden treffen, erzählen und ein Gläschen Wein trinken…“
Er blickt den Fischer an, verstummt, und geht schweigend davon…
Was können wir aus dem Gleichnis lernen?
Diese Geschichte hat Jesus natürlich nie erzählt, und ich weiß leider auch nicht, welcher Verfasser sie sich ausgedacht hat. Gerne wird sie in Unternehmerkreisen als witzige Anekdote erzählt, und manche lässt sie nachdenklich zurück. Ich denke, aus dem Gespräch vom Fischer und dem Unternehmensberater können wir einiges lernen:
1. Lebe im Hier und Jetzt
Die Gegenwart ist die einzige Zeit, in der wir aktiv gestalten können. Für die Fehler der Vergangenheit hat Jesus am Kreuz bezahlt, um die Zukunft kümmerst er sich auch bereits. Also lebe im Heute! Darum sollt ihr euch nicht sorgen um den morgigen Tag; denn der morgige Tag wird für das Seine sorgen. Jedem Tag genügt seine eigene Plage. (Mat. 6,34)
Wenn wir unsere ganze Gegenwart dem Traum von einem ausreichenden passiven Einkommen nachjagen, um vielleicht irgendwann dem Hamsterrad zu entkommen, verpassen wir heute das Beste. Der Fischer hatte erkannt, dass er bereits alles hatte, was er für ein glückliches Leben brauchte. Häufig verfügen auch wir über alle Zutaten, doch lassen wir uns den Blick dafür vernebeln.
Bob Moorehead warnt uns am Ende seines Paradox unserer Zeit:
„Denkt daran, mehr Zeit denen zu schenken, die Ihr liebt, weil sie nicht immer mit Euch sein werden. Sagt ein gutes Wort denen, die Euch jetzt voll Begeisterung von unten her anschauen, weil diese kleinen Geschöpfe bald erwachsen werden und nicht mehr bei Euch sein werden… Geht Hand in Hand und schätzt die Augenblicke, wo Ihr zusammen seid, denn eines Tages wird dieser geliebte Mensch nicht mehr neben Euch sein. Findet Zeit, alles was Ihr zu sagen habt miteinander zu teilen, denn das Leben wird nicht gemessen an der Anzahl der Atemzüge, sondern an der Anzahl der Augenblicke, die uns des Atems berauben.“
2. Prüfe Deine Motivation
Was ist Deine Motivation, ein passives Einkommen zu erzielen? Reichtum? Oder Freiheit und Unabhängigkeit? Aber wovon? Von wem?
Gott trägt im Alten Testament verschiedene Namen, u.a. „Jahwe Jireh“ (1. Mose 22,14): Gott sieht bzw. Gott versorgt. Wir haben einen Gott, der unsere Bedürfnisse sieht und sie stillen möchte. Er möchte uns mit allem versorgen, was wir zu einem gesegneten Leben für uns und für andere benötigen (1. Kor. 9,8): Gott aber ist mächtig, euch jede Gnade im Überfluss zu spenden, sodass ihr in allem allezeit alle Genüge habt und überreich seid zu jedem guten Werk.
Wollen wir uns mit einem passiven Einkommen also unabhängig und frei machen von Gottes Versorgung? Im finanziellen möchte ich doch lieber selbst das Heft des Handelns in der Hand halten, und nicht abhängig von anderen, mir selbst oder Gott sein.
Bitte versteh mich nicht falsch: Gott kann durchaus ein passives Einkommen gebrauchen, um uns zu versorgen (ich spreche aus eigener Erfahrung). Doch wenn Freiheit und Unabhängigkeit oder Reichtum (wie beim Berater im Gleichnis) Deine oberste Motivation sind, hat Mammon Dein Herz fest im Griff! Wenn wir jeden Cent am Ende des Tages danach bewerten, was er zu meinem passiven Einkommen beitragen kann, sind der Gier nach Geld und damit der Wurzel allen Übels Tür und Tor geöffnet (1. Tim. 6,10). Echte Freiheit finden wir nur in der Abhängigkeit von Jesus Christus.
3. Gottes Segen ist nicht geliehen
Bei vielen Modellen zum Aufbau eines passiven Einkommens spielen Kredite eine entscheidende Rolle. Um z.B. vermietete Immobilien zu kaufen, wird mit günstigen Krediten geworben, damit die Rendite des eingesetzen Eigenkapitals steigt. Und tatsächlich sind die Raten für die Kredite durch die Mieteinnahmen gedeckt – zumindest so lange die Immobilie vermietet ist, keine Reparaturen anfallen,…
Doch in Gottes Finanzsystem kommen Kredite nicht vor. Wenn Gott uns segnen und versorgen möchte, dann nicht auf Pump. Gott schenkt uns seine Versorgung und wir dürfen sie behalten. Sie muss nicht mit Zinsen zurückgezahlt werden. Bei Schulden spricht die Bibel von Bindungen (Spr. 22,7) und sogar von einem Fluch Gottes (5. Mose 28,15ff.).
Wenn Gott uns eine Versorgung schenken möchte, dann ist er dabei ganz sicher nicht auf Kredite und andere Instrumente angewiesen, vor denen er sein Volk wiederholt warnt. Ganz im Gegenteil (Mat. 6,33): Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.
4. Was ist Dein Hamsterrad?
Der Grundantrieb für den Aufbau eines passiven Einkommens ist es, dem „Hamsterrad“ zu entfliehen, und ohne aktive Arbeit glücklich zu sein. Doch Gott hat den Menschen bereits im Paradies zur Arbeit geschaffen, sie ist keine Folge des Sündenfalls! Paulus findet in 2. Thess 3,10 deutliche Worte: „Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen.“
Anstatt vom passiven Einkommen zu träumen, ist für Dich vielleicht einfach eine Auszeit dran? Eine Pause, wie der Fischer am Meer, um innezuhalten und den bisherigen Verlauf Deines Arbeitslebens zu betrachten: Was veranlasst Dich, Deine jetzige Situation als Hamsterrad zu sehen? Wo bist Du aber vielleicht in eine Richtung abgebogen, die Dir nicht guttut? Was belastet Dich in Deinem Arbeitsleben? Bei welchen Tätigkeiten empfindest Du besonderen Druck? Was gibt Dir das Gefühl, ausgebeutet und / oder unterdrückt zu werden? Was hast Du aber auch besser hinbekommen als andere? Was hat Dir besonders Freude gemacht? Wie kannst Du Deinem Arbeitsleben einen tieferen Sinn geben?
Deine Arbeit muss nicht zwangsläufig ein Hamsterrad sein! Ich liebe meine Arbeit. Das liegt auch daran, dass ich mir regelmäßig im Dialog mit Gott die Zeit zum Reflektieren nehme, was aktuell dran ist. Alles hat seine Zeit, lesen wir in Pred. 3. Daraus folgt auch, dass vermutlich nichts in jeder Lebensphase dran sein wird. Von Zeit zu Zeit braucht unser Leben eine Veränderung, das ist gut und von Gott gewollt.
Eine solche Änderung muss nicht sofort ein Wechsel des Berufs sein. Häufig genügt es schon, die eigenen inneren Einstellungen zur Arbeit, zu Kollegen, zum Chef, … neu auf Perspektive Königreich zu justieren. Finde Deinen Platz und Deine Berufung. Denn wenn Du in Deiner Berufung lebst, ist die Arbeit kein Hamsterrad.
Und nun?
Zurück zur Ausgangsfrage: Hätte Jesus sich angestrengt, ein passives Einkommen aufzubauen? Ich denke nein. Er lebte in seinem Hier und jetzt, ganz dem Königreich Gottes hingegeben. In dieser seiner Berufung ruhte er im Vertrauen darauf, dass sein himmlischer Vater ihn und seine Jünger mit allem versorgen wird, was sie für ihren Auftrag brauchten: egal, ob durch aktive Arbeit, Spenden oder andere Versorgungskanäle.
Dieser Versorger-Gott ist übrigens heute noch der gleich wie vor 2.000 Jahren. In diesem Sinne hatte Jesus dann doch ein passives Einkommen, das auch wir heute noch in Anspruch nehmen dürfen: direkt aus den himmlischen Schatzkammern unseres Vaters im Himmel.